Himmelsmechanik: Störungen der Koordinatensysteme
Im ersten Teil dieser Serie habe ich euch die Koordinatensysteme vorgestellt, die für die Astronomie sehr wichtig sind. Jedoch sind diese Koordinatensysteme nicht fixiert d.h. der Längennullpunkt ist zeitabhängig. Doch warum ist ein solches Koordinatensystem nicht fest? Welche Störungen wirken auf das Koordinatensystem? Das möchte ich im diesen Beitrag besprechen.
Präzession
Wie im ersten Teil dieser Serie schon beschrieben, ist die Rotationsachse gegenüber der Ekliptik um den Winkel geneigt. Durch die Abplattung und der Äquatoraufwulstung entsteht ein Drehmoment gegenüber der Ekliptik welche vom Mond und der Sonne erzeugt werden. Die Drehimpulsachse und die Rotationsachse muss senkrecht ausweichen und beschreibt daher einen Kegel. Der Öffnungswinkel ist vom Ekliptikpol gleich dem Erdneigungswinkel.
Der Frühlingspunkt wandert nun alle 25.800 Jahre einmal um 360°, d.h jedes Jahr wandert der Frühlingspunkt um . Das hat zur Folge, das sich jährlich die Rektaszension
und
ebenfalls ändert. In der Praxis bedeutet dies, wenn man im Jahre 1950 die Koordinaten eines Objektes sich notiert hat, so sind durch die Präzessionsbewegung diese Koordinaten geändert. Um nun die die heutigen (oder auch zukünftige) Koordinaten zu korrigieren, verwendet man diese Nährungsformeln:
(1)
(2)
Für die Präzessionskonstanten für die Epoche J2000 gilt und
pro Jahr. Deshalb ist bei jeder Koordinatenangabe wichtig, die Beobachtungsepoche anzugeben.

Nehmen wir wieder das Beispiel aus dem letzten Teil dieser Serie und untersuchen nun die folgende Fragestellung: Welche Koordinaten hat Sirius am 11.02.2016 20:00 Uhr ausgehend des Datums 11.02.2000 20:00 Uhr (JD2000.0)? Die Koordinaten lauten:
Als ersten Schritt müssen alle Koordinaten die gleiche Einheiten besitzen. Daher transformieren wir die Winkel wie im letzten Teil beschrieben, in die Einheit Grad:
Auch die Konstanten transformieren wir in die Einheit Grad. Man erhält:
Jetzt verwenden wir die Gleichungen (1) und (2) mit :
Diese Winkel werden mit den Ursprungswinkel verrechnet und wieder in die jeweiligen Einheiten zurücktransformiert:
Vergleicht man diese Werte z.B. mit der Astronomiesoftware Stellarium, so sind die berechneten Winkel erstaunlich genau. Da wir jedoch die allgemeine Präzession betrachtet haben und Rundungsfehler entstanden sind, entstehen kleine Abweichungen.
Alternativweg
Natürlich gibt es einen etwas aufwendigeren Weg. Als erstes ermittelt man die Erdneigung :
Im diesen Falle ist die Variable die Anzahl der Tage, welche seit dem 01.01.2000 vergangen ist. Der Faktor
berechnet die Zeit in julianischen Jahrhundert seit JD2000. Um nun die Präzessionskonstanten zu berechnen, nutzt man folgenden Zusammenhang:
Dabei ist die Änderung der ekliptikale Länge pro Jahr.
Nutation
Eine weitere Störgröße für die Änderung des Längennullpunktes ist die Nutation. Das hat folgenden Grund: Der Mond bewegt sich nicht genau in der Ekliptik sondern ist um geneigt. Das hat zur Folge, das die Sonne und der Mond versuchen, die Rotationsachse zu korrigieren, daher entsteht eine zusätzliche periodische Änderung auf der Präzessionsbahn der Erde. Die Periodendauer dauert ca. 18.6 Jahre, die Amplitude rechtwinklig zur Ekliptik beträgt ca.
und parallel dessen etwa
.
Dieser Mechanismus hat ebenfalls zur Folge, das durch die Nutation die Neigung der Erde sich etwas um ändert. Das bedeutet ebenfalls, das die Effekte der Nutation ziemlich klein ist. Dennoch werden die Koordinaten der Sterne dennoch beeinflusst (und damit auch der Nullpunkt der Längsachse).
Parallaxe und die Entfernungsmessung
Die tägliche Parallaxe ist der Winkel, den der Erdradius vom Himmelskörper aus einnimmt. Dies ist jedoch nur bei Objekten innerhalb unseres Sonnensystems messbar, da dieser Winkel immer kleiner wird, je weiter das Objekt entfernt ist.
Bei dem Mond beträgt die tägliche Parallaxe ca. und bei der Sonne etwa
. Für die Sterne ist das irrelevant, da der Winkel unendlich klein ist. Dies gilt jedoch nicht für die jährliche Parallaxe. Dies ist der Winkel welche der Erdbahnradius einnimmt.
Diese beträgt im Mittel 1 AE. Diesen Störeffekt kann man nutzen um die Entfernung der Sterne zu ermitteln und zwar mit Hilfe der Triangulation (optisches Messverfahren). Innerhalb eines Jahres beschreibt ein naher Stern eine Kreis- oder Ellipenbewegung im Vergleich von weiter entfernten Objekten. Man ermittelt nun mit der großen Halbachse der Ellipse die Parallaxe:
(3)
Es gelten nun folgende Definitionen:
(4)
Die Entfernung ist zum Winkel reziprok:
(5)
Zusammengefasst heißt das, ausgehend vom Stern ist der Parallaxenwinkel der Winkel der sich bei dem Erdbahnradius (1 AE) einstellt. In der Astronomie wird oft die Längeneinheit
verwendet.

Am 11.02.2000 20:00 Uhr wurde an Sirius eine Parallaxe von gemessen. Wie viele Lichtjahre ist er von uns entfernt?
Für die Fragestellung benutzten wir die Gleichung (5):
Doch wie viele Lichtjahre ist Sirius entfernt? Betrachten wir die Abbildung aus einer anderen Perspektive und schauen uns das Dreieck an:

Es entsteht ein rechtwinkliges Dreieck. Der Parallaxenwinkel wird durch mehrmaligen Messens bestimmt.
Es gilt:
Nun rechnet man den Winkel um (Achtung Bogenmaß!):
Eine astromische Einheit beträgt :
Jetzt muss das Ergebnis durch das Lichtjahr dividiert werden. So ergibt sich:
Für unser Beispiel am Stern Sirius bedeutet dies:
Sirius ist also 8,6 Lichtjahre von uns entfernt.
Aberration
Die Aberration ist die scheinbare Ortsveränderung von Objekten, die durch die Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit hervorgerufen wird. Wenn wir mit unserem Teleskop ein Stern beobachten, bewegen wir uns durch die Erdbewegungen mit der Geschwindigkeit
. In der Praxis bedeutet dies nun, das wir unser Teleskop leicht um den Vorhaltewinkel
neigen müssen, damit wir das Licht einfangen können, da wir uns relativ zum Himmelsobjekt bewegen. Doch wie groß muss der Winkel sein?
Geht man mit dem Sinussatz in die obige Abblildung herein, so erhält man:
(6)
Vereinfacht man nun die Gleichung (6) durch so hat dies zur Folge, dass auch
und somit
wird. Isolieren wir anschließend
so ergibt sich folgender Zusammenhang:
(7)
Die wesentliche Geschwindigkeit für ist die Umlaufgeschwindigkeit unserer Erde um die Sonne. Diese beträgt im Mittel:
Setzten wir die Umlaufgeschwindigkeit ins Verhältnis mit der Lichtgeschwindigkeit mit :
Es ergibt sich, dass der Vorhaltewinkel:
(8)
bei ist, d.h. wir müssten unser Teleskop bei einem Objekt, welches sich 90° über uns befindet, unser Teleskop um 21“ neigen. Zusätzlich existiert aufgrund der Erdrotation mit
auch die tägliche Aberration:
(9)
Refraktion
Der letzte Störmechanismus ist die Refraktion. Unter Refraktion versteht man das Brechen des Lichtes durch die Atmosphäre in Richtung eines größeren Brechungsindexes durch die Folge der kleineren Lichtgeschwindigkeit.
In der Atmosphäre existieren mehrere Grenzschichten was zur Folge hat, dass der Brechungsindex sich fortwährend vergrößert. Mit Hilfe eines Schichtenmodelles wird nun versucht, den wahren Ort unseres Sternes numerisch zu bestimmen.
Durch diesen Effekt erscheint der Stern höher als er wirklich ist:
(10)
Diesen Effekt kennt jeder von uns. Beim Sonnenuntergang kommt uns die Sonne extrem gequetscht vor.
Fazit
Mensch, das war ja wieder viel zu lesen und auch manchmal etwas vertrackt. Aber alles halb so wild. Jedes Computer erledigt für euch die Rechnungen und Korrekturen, daher braucht Ihr vor Eurem Beobachtungsabend nicht jedes Mal die Korrekturwinkel zu berechnen, denn jedes gute Astronomieprogramm korrigiert die Winkel automatisch. Jedoch wisst Ihr jetzt, was da hintersteckt und sieht das jetzt doch vielleicht mit etwas mit anderen Augen. Im nächsten Teil dieser Serie geht es weiter mit der Herleitung der Keplergleichungen und die Berechnungen der Bahnelemente.
Literatur
Ein sehr interessantes Buch aus dem einige Vorlagen der Grafiken stammen, sei hier wärmstens zu empfehlen:
Karttunen, Kröger u.a. : Astronomie. Eine Einführung, Springer Verlag 1990
Links
Einführung in die Himmelsmechanik: Koordinatensysteme
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