Himmelsmechanik: Die Keplerschen Gesetze
In den letzten beiden Teilen haben wir uns mit den astronomischen Koordinatensystemen und dessen Störungen beschäftigt. Die Hauptaufgabe der Himmelsmechanik ist jedoch, die Erklärung und Vorhersage von Bewegungen von Planeten oder Satelliten. Dieser Beitrag widmet sich nun diese Fragestellung mit Hilfe der Keplerschen Gesetze, wie wir nun herleiten wollen.
Grundlagen: Newtonsche Mechanik
Grundlage der Bewegungsgleichung ist das universelle Gravitationsgesetz von Newton. Diese ist jedoch nur für zwei Punktmassen lösbar. Das Zweikörperproblem (ZKP) der klassischen Mechanik gilt auch für sphärisch-symmetrischen Massen wie zum Beispiel das System Erde-Mond oder auch Doppelsterne wie z.B. Sirius. Man sollte beachten, dass dieses Modell in der Wirklichkeit nicht zutrifft. Im unserem Planetensystem werden die Massen durch die anderen Planeten (besonders Jupiter) gestört. Doch schauen wir uns das Zweikörperproblem mal genauer an:
Aus der Abbildung kann man relativ einfach das Hebelgesetz ablesen:
(1)
und die Abstände ergeben:
(2)
Vereinfachen wir diese Gleichung etwas:
(3)
Führen wir nun die reduzierte Masse ein:
(4)
Es ergibt sich:
(5)
Nun schauen wir uns die Newtonsche Axiome an:
1. Axiom: Kraft = Masse ⋅ Beschleunigung
(6)
2. Axiom: Actio = Reactio
(7)
3. Axoim: Gravitationsgesetz
(8)
Mit diesen drei Axiomen wollen wir nun die Keplerschen Gesetze herleiten und können anschließend die Bahnform, die Bahnposition und die Position zum einem bestimmten Zeitpunkt bestimmen.
Die Erhaltungssätze
Impulserhaltung
(9)
Aus der Impulserhaltung geht hervor, dass sich der Schwerpunkt geradlinig und gleichförmig bewegt. Einfachshalber legt man den Ursprung eines Koordinatensystems auf den Schwerpunkt. Das hat zur Folge, dass ist und die einzelnen Elemente geometrisch ähnlich ist. Also kennt man die Position
so kann sich aus der Schwerpunktdefinition (3) die Position
sehr leicht bestimmen.
Drehimpulserhaltung
(10)
Mit und
gilt:
(11)
Beziehen wir die Drehimpulserhaltung auf das Zweikörperproblem. Nach (11) gilt:
(12)
Ersetzen wir nun:
(13)
Wendet man nun das Hebelgesetz an, ersetzen durch
und klammern anschließend aus:
(14)
Aus dieser Rechnung geht hervor, dass die Drehimpulse und für sich erhalten bleiben, da für das Kreuzprodukt
gilt. Beide Körper bewegen sich nun in der gleichen Ebene, wobei der Raum konstant bleibt. Nun können wir das 2. Keplersche Gesetz herleiten.
Das Dreieck analysieren wir geometrisch:
(15)
Einfacher ist es, wenn man dies vektoriell betrachtet. Mit und den Betrag des Kreuzproduktes, bestehend aus
folgt:
(16)
Da ja ist, wird zu gleichen Zeiten
die gleichen Flächen überschritten. Dies ist das zweite Keplersche Gesetz.
Energieerhaltung
Die Energieerhaltung wird wie folgt beschrieben:
(17)
Dabei soll uns folgende Vereinbarung helfen. Die potentielle Energie soll im Unendlichen verschwinden.
(18)
Daraus folgt, wenn wird, ist die Bahn gebunden. Ist allerdings
ist die kinetische Energie im Unendlichen was bedeutet, dass die Bahn ungebunden ist. Mit dieser Überlegung wird klar, dass niemals ein einzelner Körper einen anderen Körper einfangen kann.
Die Bahnform und Ortsbestimmung
Um nun die Bahnformen zu bestimmen, müssen wir uns jetzt mit den Bewegungsgleichungen auseinandersetzen. Aus dem Hebelgesetz folgt:
(19)
Diese Gleichung gilt für einen Körper. Mit dem Schwerpunkt erhalten wir folgende Gleichung:
(20)
Mit in (20) und anschließender Kürzung einzelner Größen, ergibt sich eine Differentialgleichung der Ordnung 2 in drei Dimensionen. Mit
ergibt sich:
(21)
Durch die Dreidimensionalität folgen hieraus sechs Integrationskonstanten. Durch das Lösen der Gleichung (21) kann nun die Bahnformen bestimmt werden. Doch wie geht man dabei vor? Dies wollen wir im Folgenden besprechen. Einfacherhalber entfernen wir die Indizes. Die Gleichung (21) multiplizieren wir mit dem Kreuzprodukt von links:
(22)
In der Gleichung (22) ist nun ein doppeltes Kreuzprodukt enthalten, welche man jedoch mit dem Entwicklungssatz lösen kann. Es ergibt sich folgender Ansatz:
(23)
Dabei ist der Drehimpuls konstant. Jetzt wenden wir zwei kleine Tricks an, um die Gleichung (23) zu vereinfachen. Der Term
ist sofort ersichtlich. Doch wie sieht es mit den Term
aus? Differenziert man den Term mit der Zeit, so erhält man:
(24)
Setzten wir diese vereinfachten Terme in (23) ein, so erhält man:
(25)
Wendet man in der Gleichung (25) die Quotientenregel an, so ergibt sich:
(26)
Um nun den Differentialquotienten aus (26) zu entfernen, integrieren wir die Gleichung mit der Zeit. Man erhält:
(27)
Dabei ist durch die Integration, die Integrationskonstante entstanden und genau diese ist eine Erhaltungsgröße im ZKP.
Der Vektor zeigt immer in Richtung des Perihels. Nun multiplizieren wir die Gleichung (27) mit dem Vektor
von rechts:
(28)
Es entsteht ein Spatprodukt. Das Vertauschen ist hier erlaubt:
(29)
Mit und
entsteht folgende Gleichung:
(30)
Nun wollen wir wissen, wie groß der Winkel zwischen und
ist. Dazu führen wir den Winkel
ein, welche man die wahre Anomalie nennt:
(31)
Jetzt sind wir fast am Ziel. Der Term ist der Halbparameter und ist eine konstante Größe. Der Quotient
ist die Exzentrizität. Lösen wir die Gleichung (31) nach
auf, erhalten wir die Polargleichung eines Kegelschnittes:
(32)
In dieser Gleichung spielt die Exzentrizität eine große Rolle, welche uns letztendlich sagt, welche Bahnform vorliegt:
(33)
Daraus folgt, dass der beschriebene Kegelschnitt eine Ellipse ist, wobei in einem Brennpunkt die Sonne steht. Somit haben wir nun das erste Keplersche Gesetz hergeleitet.
Das dritte keplersche Gesetz
Zum Schluss wollen wir noch das dritte Keplersche Gesetz herleiten. Dazu verwenden wir die Terminologie der Ellipse.
Schauen wir uns den Flächensatz an:
(34)
Dabei ist die Ellipsenfläche und
die Umlaufzeit. Die Variable
ist gleichzeitig
. Daraus folgt nun:
(35)
Da ist, ziehen wir die Wurzel
und setzen dies in die Gleichung (35) ein:
(36)
Wir kürzen nun die Masse und den Impuls aus Gleichung (36) heraus und stellen nach um.
(37)
Da wir die Indizies entfernt haben, gilt diese Gleichung nur für den Körper 1. Ersetzten wir und
wieder:
(38)
und Setzen dieses in (37) ein:
(39)
Dabei ist der Term die Umrechung auf die relative Koordinaten. So, jetzt sind wir fast am Ziel. Kürzen wir noch die Gleichung (39) ein wenig, dann haben wir die strenge Form des dritten keplerschen Gesetzes hergeleitet:
(40)
Das Mehrkörperproblem
Leider ist es in der Astronomie so, dass das Anwenden des ZKP nur in den seltesten Fällen eine genaue Aussage liefert. Unser Sonnensystem besteht jedoch aus acht Planeten. Schauen wir uns mal ein System mit drei Körpern (Dreikörperproblem) an. Es entstehen drei gewöhnliche Differentialgleichungen mit je sechs Integrationskonstanten, also 18 Integrationskonstanten. Man bekommt jedoch nur an 10 heran und zwar 6 aus Ort, Schwerpunkt und Geschwindigkeit aus der Impulserhaltung, 3 aus der Drehimpulserhaltung und 1 aus der Energieerhaltung. Daher ist es in vielen Fällen eine Störungsrechnung erforderlich. Es gibt aber auch Fälle, wo das Anwenden des Dreikörperproblem (eigenschränktes Dreikörperproblem) zu exakten Lösungen führen und zwar bei speziellen Punkten.
Diese speziellen Punkte sind die Lagrangepunkte und diese haben in der Raumfahrt eine enorme Bedeutung. Plaziert man hier einen Satelliten, so ist dieser frei von Gravitations- und Zentrifugalkraft, da sich beide aufheben. Ein Beispiel aus der Raumfahrt ist die Sonnenbeobachtungssonde SOHO. Diese liegt auf Lagrange-Punkt L1. Die Punkte L1 bis L3 sind kolinear und instabil. Satelliten welche hier plaziert werden, müssen Kurskorrekturen vorgenommen werden. In der obigen Abbildung ist dies sehr gut zu erkennen, dass dieser Bereich klein ist. Die mittlere Verweildauer in L1 und L2 beträgt ohne Korrekturen wenige Monate, bei L3 liegt der Zeitraum schon bei mehreren Jahrhunderten. L4 und L5 sind stabile Punkte und liegen 60° im gleichschenkligen Dreieck ausgehend von der Sonne, daher nennt man diese auch Dreieckspunkte. Diese sind zusätzlich durch die Corioliskraft sehr stabil. Hier können sich Körper ohne Bahnkorrektur aufhalten. Ein Beispiel sind die Jupitertrojaner, welche sich in den Punkten L4 und L5 aufhalten. Auch die Erde hat in L4 mit 2010 TK7 einen Trojaner und eilt der Erde voraus. Das allgemeine Mehrkörperproblem lässt sich z.B. mit dem Viraltheorem beschreiben. Dies würde aber wirklich jetzt den Rahmen sprengen.
Störungen
Die Keplerbahnen werden durch die Drehung der Apsidenlinie gestört. Dabei ist die Periheldrehung doppelt so groß, als die Newtonmechanik dies vorhersagte. Der Grund ist, dass relativistische Effekte nicht berücksichtigt wurden.
Fazit
Was ein Artikel. Harte Kost. Ich weiss. Das wird jetzt auch was dauern, diese Kost zu verdauen. Diesen Artikel vorzubereiten hat mich fast zwei Wochen gedauert. Aber wichtig ist mir, das Ihr zumindest den Hintergrund kennt was hinter der Planetenbewegungen steckt. Wenn Ihr das nächste mal durch Euer Teleskop schaut, ist Euer Blick auf die Bewegung vielleicht etwas anders und sieht diese mit etwas anderen Augen.
Im nächsten Teil dieser Serie wollen wir die hergeleiteten Gleichungen anwenden und die Bahnelemente und die Ephemeriden bestimmen. Dabei wird es ein Beispiel anhand der Venusbahn mal durchrechnen. Falls Ihr Fragen oder Fehler entdeckt habt, nur zu, alles in die Kommentaren.
Links
Himmelsmechanik Teil 1: Koordinatensysteme
Himmelsmechanik Teil 2: Störungen der Koordinatensysteme
Die Geschwindigkeit der ISS
Literatur
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